Beschwerden einer Aortenklappenstenose werden häufig auf das Alter geschoben. Dabei ist die Erkrankung lebensbedrohlich, wie die Gespräche mit Dr. Angelika Reitböck, Präsidentin des Österreichischen Hausärzteverbandes, und der Patientin Franziska L. zeigen.
Dr.med.univ. Angelika Reitböck
Ärztin für Allgemeinmedizin
Fachärztin für Dermatologie
Präsidentin des Österreichischen Hausärzteverbands
Foto: Foto Walter Grieskirchen
Frau Dr. Reitböck, auf welche Alarmzeichen einer möglichen Aortenklappenstenose sollten Menschen hören?
Die Aortenklappenstenose ist eine Erkrankung des hohen Lebensalters und kommt zumeist ab dem 75. oder 80. Lebensjahr vor. Betroffene Menschen werden weniger belastbar und merken das etwa beim Stiegensteigen oder bei größeren Anstrengungen. Weitere Anzeichen können Schwindel oder Ohnmachtsanfälle sein. Wenn man also bemerkt, dass die Leistungsfähigkeit nachlässt oder Atemnot auftritt, ist es ganz wichtig, einen Arzt aufzusuchen. Denn dahinter kann eine Aortenklappenstenose stecken. Zur Erklärung: Das Herz hat vier Klappen. Die Aortenklappe ist dabei jene Klappe, die dafür sorgt, dass das sauerstoffreiche Blut aus dem Herzen in die richtige Richtung im Körper fließt.
Wie können Ärzte erkennen, ob sich hinter diesen Beschwerden eine Aortenklappenstenose verbirgt?
Die Aortenklappenstenose macht beim Abhören ein sehr lautes Geräusch. Wenn man das also hört und Patienten gleichzeitig über Leistungsverlust klagen, werden sie zum Internisten geschickt. Dort kann dann das Herz über Ultraschall genauer untersucht werden und festgestellt werden, ob die Aortenklappe verkalkt ist.
Sie haben vorhin die Symptome erwähnt, die ja der weitläufigen Vorstellung vom allgemeinen Älterwerden sehr ähnlich sind. Werden die Beschwerden häufig einfach auf das Alter geschoben?
Absolut! Das sehe ich in meiner Praxis sehr häufig. Viele Patienten kommen leider erst sehr spät zum Arzt, weil sie denken, dass sie einfach alt werden. Daher sind in diesem Rahmen Vorsorgeuntersuchungen auch im höheren Lebensalter sehr wichtig.
Was würde passieren, wenn die Aortenklappenstenose unbehandelt bliebe?
Wenn man nicht behandelt, kann die Aortenklappenstenose tödlich sein. Es ist eine sehr ernst zu nehmende, fortschreitende Erkrankung!
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Früher war die Aortenklappenstenose gefürchtet, weil es einer großen Operation, in der der Brustkorb geöffnet wurde, bedurfte. Heute können wir nicht nur Medikamente verabreichen, sondern auch den Eingriff über einen Katheter durchführen, um eine neue Aortenklappe zu platzieren. Dieses Verfahren hat die Behandlung revolutioniert und wir können noch mehr Patienten heute damit weitere Lebensjahre schenken!
Franziska L.
Aortenklappenstenose Patientin
Foto: Privat
Frau L., wie haben Sie erfahren, dass Sie an einer Aortenklappenstenose leiden? Hatten Sie zuvor irgendwelche Symptome oder Beschwerden?
Bei mir ist es so losgegangen, dass ich oftmals keine Luft bekommen habe. Ich bin dann zum Arzt gegangen, der mich untersucht hat und festgestellt hat, dass meine Herzkranzgefäße verkalkt sind. Diese wurden dann entkalkt und drei Stents gesetzt. Bei einer weiteren Untersuchung wurde dann festgestellt, dass auch meine Aortenklappe verkalkt ist und dass diese behandelt werden sollte. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich zuerst nicht „drüber getraut“ habe. Aber jetzt bin ich sehr froh, dass ich den Eingriff vornehmen lassen habe. An dieser Stelle möchte ich mich an die gesamte Ärzteschaft wenden, die mich betreut hat. Sie haben wirklich Hervorragendes geleistet!
Warum hatten Sie zunächst Bedenken, den Eingriff durchführen zu lassen?
Ich dachte mir, dass ich das mit meinen 88 Jahren nicht überleben würde. Ich wollte nicht sterben und hatte einfach Angst! Eine junge Ärztin hat mir dann gut zugesprochen, dass ich den Eingriff wirklich nicht aufschieben sollte, weil die Situation einfach nicht mehr besser wird. Im Nachhinein bin ich wirklich sehr froh, dass ich mich dafür entschieden habe. Die Ärzte haben mich sehr gut betreut und ich habe alles gut überstanden.
Hätten Sie den Eingriff nicht durchführen lassen, würde es Ihnen heute vermutlich schlechter gehen?
Wahrscheinlich. Denn mein Zustand wäre ja immer schlechter geworden. Es hätte ja sogar plötzlich aus sein können mit mir!
Können Sie also heute sagen, dass sich Ihre Beschwerden durch den Eingriff gebessert haben?
Es ist schon viel besser geworden. Natürlich kann ich heute vieles mit meinen 88 Jahren nicht mehr. Meine Familie kümmert sich sehr gut um mich. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe ein bisschen Probleme, wenn ich zu Fuß unterwegs bin, aber dafür habe ich immer wieder einen Therapeuten. Schließlich will ich heuer im Mai wieder nach Meran fahren. Wenn ich früher hinausgegangen bin, musste ich häufig stehen bleiben und hatte Atemnot. Ich wusste immer, wo auf meinen Runden eine Bank steht, auf der ich mich ausruhen kann. Dann habe ich mich hingesetzt und bin später wieder weitergegangen. Das geht nun besser. Aber natürlich spüre ich auch das Alter. Ich hätte mir aber nie gedacht, dass ich einmal so alt werde – und dank der Ärzte darf ich sogar noch ein bisschen weiterleben!
Quelle: Otto CM. Timing of aortic valve surgery. Heart 2000; 84:211–8
Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI)
Die TAVI ermöglicht einen perkutanen Aortenklappenersatz und kann unter Lokalanästhesie oder Vollnarkose durchgeführt werden. Bei diesem weniger invasiven Verfahren sitzt die komprimierte Herzklappe auf einem Katheter, der dann in den Körper eingeführt und zur Implantation durch die native Aortenklappe geschoben wird.
Sobald die Transkatheter-Herzklappe präzise positioniert wurde, wird sie freigesetzt bzw. expandiert, so dass sie sich korrekt in der verkalkten Aortenklappe verankert.
Quelle: Saia F, et al. Routine minimalist transcatheter aortic valve implantation with local anesthesia only. J Cardiovasc Med (Hagerstown). 2020 Oct;21(10):805-811
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